-  Main Echo

Hinsehen statt wegschauen

Verein Oberlicht: Fotoausstellung mit Lesung zum Thema »Behinderung hat viele Facetten« im Michelbacher Schlösschen


Alzenau-Michelbach

Unter dem Titel »Behinderung hat viele Facetten« lud der Verein Oberlicht am Sonntagnachmittag zu einer Fotoaus-stellung mit Rahmenprogramm in das Schlösschen ein. Bei reger Publikumsbeteiligung konnten nicht nur die 35 groß-formatigen Aufnahmen im Unter- und Obergeschoss angesehen werden, sondern im Rahmen eines kleinen Festaktes ließ außerdem die Jazzband »Zimt und Zitrone« quirlige Rhythmen erklingen und eine Lesung mit Texten Betroffener sensibilisierte das Publikum zusätzlich zu den Fotos für die Probleme psychisch und physisch kranker Menschen.

Offenheit und Neugier wecken
»Der Blick auf den Behinderten ist oft ein unsiche-rer, manchmal auch kritischer und schnell urteilen-der«, sagte Gisela Eichfelder, die Vorsitzende des Vereins Oberlicht. »Mit unserer heutigen Veranstal-tung wollen wir Offenheit und Neugier wecken. Hinsehen statt wegsehen. Das wünschen wir uns. Wir wollen zeigen, nicht verstecken.« Zu einigen der ausgestellten Fotos erzählte die Psychiaterin die dahinter stehende Geschichte, das Schicksal der auf den Fotos oft lachenden Menschen. Da steht ein Kind mit seinem Hund am Strand und freut sich über den Tag. »Warum dieses Kind?« fragt die Unterschrift. Eichfelder hat ein sehr sen-sibles Gedicht darüber geschrieben, dass das Kind ertrunken ist. Die Mutter, die auf einem anderen Foto bei der Reittherapie zu sehen ist, stürzte der Tod ihres Sohnes in schwere Depressionen. Das Gesamtergebnis der Ausstellung bezeichnete Gisela Eichfelder als »ein sehr Besonderes«. Bürgermeister Walter Scharwies, zugleich Schirm-herr der Veranstaltung, hatte zum zehnjährigen Geburtstag von Oberlicht nicht nur ein Geldge-schenk mitgebracht, sondern auch lobende Worte: »Wir dürfen uns freuen, dass wir hier in Alzenau den Verein Oberlicht haben, der im Rahmen eines Netzwerkes von 15 Selbsthilfegruppen arbeitet.«

Valentin Weber schloss sich den guten Worten als Stellvertreter von Landrat Dr. Ulrich Reuter an: »Nicht nur mit der heutigen Veranstaltung, sondern mit der ganzen Vereinsarbeit setzt der Verein ein mutiges und wichtiges Zeichen in unserer Gesell-schaft.«


Aufschreiben und aufschreien
Anschließend las Anni Christ-Dahm vom Theater-verein Kultburg Texte von Betroffenen. Neben Gedichten des US-Amerikaners Michael Payne, der die Entfremdung zweier Menschen thematisiert, stellte sie den schwierig durchschaubaren Text »Die antifaschistische Schule« vor. Autor ist ein Alzenauer, der unter dem Pseudonym Volker von Wegen schreibt.
Zwischendurch sorgte die Jazzband »Zimt und Zitrone« mit dem bekannten Frankfurter Pianisten Bob Degen, Willi Kappich am Schlagzeug sowie dem Alzenauer Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Burkard Kunkel für musikalische Entspannung. Die alleinerziehende Mutter Sybille Wunderlich las danach abwechselnd mit Gisela Eichfelder aus ihrem Buch »Ich begleite dich ins Paradies - solan-ge du noch das bist«. Sie beschreibt darin einer-seits die schwere körperliche und geistige Krank-heit ihrer siebenjährigen Tochter, andererseits die plötzlichen Angstattacken, die die Mutter von ei-nem Moment auf den anderen überfielen. »Auf-schreiben und aufschreien sind oft dasselbe«, heißt es in dem unter die Haut gehenden Buch. Danach fand die Preisverleihung für die Fotos statt. Die Jury bestand aus der Fachfrau für Medien, Adrienne Uebbing, dem Alzenauer Fotografen Rein-hold Brückner sowie einem Fotoreporter der Frank-furter Allgemeinen Zeitung, Rainer Wohlfahrt. Mit Geld- und Buchpreisen ausgezeichnet wurden: 1. Platz »Drei lachende Kinder in blauen T-Shirts«, 2. Platz: »Borderline«, 3. Platz: »Kreisverkehr«, 4. Platz: »Junge«, 5. Platz: »Hände«, 6. Platz: »Nein, das bin nicht ich«. Der Verein Oberlicht hofft, dass es für die interessanten Fotos noch eine weitere Gelegenheit gibt, bei der sie präsentiert werden

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