- Main Echo
Starke Kinder sicher im Sattel
Zu den Höhepunkten im Jahresprogramm des Alzenauer Vereins »unBehindert miteinander leben« zählt das Sommerreiten bei Gabi Müller auf der Luh-Ranch zwischen Wasserlos und Hörstein.
Der vor 17 Jahren gegründete Verein hat ehrenwerte Ziele. Der Anspruch ist, »die Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft« zu erreichen, wie es auf der Homepage heißt. Man sieht sich in der Pflicht, »Menschen mit Behinderung anzunehmen und für ihre Integration zu werben«. Es soll dereinst keine Besonderheit sein, »wenn Menschen mit Behinderung unter uns leben, lernen und arbeiten«.
Es gibt Orte, an denen das Ideal bereits Realität ist. Der Reiterhof im Luh bei Gabi Müller ist solch ein Ort. »Die Kinder werden hier angenommen, wie sie sind. Sie spüren, dass sie willkommen sind und fühlen sich deshalb unglaublich wohl.« So schwärmt Vereinsvorsitzende Brigitte Grebner von den »Integrativen Reitertagen«, die seit 2000 zum Jahresprogramm des Vereins gehören.
An diesem Mittwoch endet das Sommercamp, das am 1. August begonnen hat. Und tatsächlich ist es auffällig, wie sicher und selbstverständlich die Kinder mit den Tieren klarkommen, wie offensichtlich Vertrauensverhältnisse entstanden sind, wie gerne sie Pflege und Versorgung übernehmen.
»Bauchentscheidung« getroffen
Ohne die ehrenamtliche und qualifizierte Arbeit von Gabi Müller und Heike Koch wäre das Angebot nicht möglich. Gabi Müllers Motivation erwächst aus ihrer persönlichen Lebensgeschichte. Für ihre behinderte Tochter war einst die Prognose niederschmetternd. »Man sagte mir, dass sie wahrscheinlich niemals laufen könne.« Damals hat sie eine »Bauchentscheidung« getroffen. Gabi Müller kaufte sich ein Pferd. »Es war aus Verzweiflung, aber ich musste etwas tun.« Die Geschichte hört sich an wie ein modernes Märchen.
Tatsächlich hatte Gabi Müller instinktiv das Richtige getan: Im täglichen Umgang mit dem Pferd entwickelte sich ihre Tochter weit besser, als es die Ärzte vermutet hatten. Sie stärkte ihren Körper und ihr Gleichgewicht - und lernte das Laufen.
Gabi Müller bildete sich weiter. Sie wurde Mototherapeutin fürs Reiten. Ihre Qualitäten sind seither stark nachgefragt. Und immer wieder staunen Eltern über die Fortschritte: Behinderte Kinder verlieren die Angst vor der Höhe und gewöhnen sich rasch ein. Die Tiere würden rasch als Freunde empfunden. »Beim Reiten sind 90 Prozent der Muskeln in Bewegung, ohne dass man es bei dem rhythmischen Bewegungsablauf merkt.« Es sei egal, welche Behinderung das Kind habe. Auch Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten haben ihre Erfolgserlebnisse: »Sie müssen sich anpassen, ihnen bleibt keine Wahl.« Das Selbstwertgefühl jedes einzelnen Kindes werde gesteigert.
Sponsoren erwünscht
Natürlich können Gabi Müller und Heike Koch, die seit 15 Jahren dabei ist, die Kinder nicht alleine betreuen. Bei den zehn Reittagen helfen Studenten der Sonderpädagogik mit. Teilweise bedarf es einer Eins-zu-Eins-Betreuung.
Bei allem ehrenamtlichen Engagement sind die Reittage freilich nicht zum Nulltarif zu organisieren. »Es ist schön, dass unser Verein von Privatleuten und Firmen immer wieder unterstützt wird«, sagt Brigitte Grebner. Nur so könne man alle Jahre ein ambitioniertes Programm (siehe Infokasten) anbieten.
Michael Müller