-  Heimatbote

Das neue Bundesteilhabegesetz kontrovers aber sachlich diskutiert
(v.l.): Brigitte Grebner, Irmgard Badura, Andrea Lindholz und Dr. Astrid Freudenstein

Kontrovers aber sachlich diskutierten rund 60 Teilnehmer aus Fachverbänden, Vereinen und betroffenen Familien das Bundesteilhabegesetzt (kurz BTHG) mit einem fachkundigen Podium am Mittwochabend im Michelbacher Schlösschen. Neben der Bundestagsabgeordneten Andrea Lindholz, die die Veranstaltung moderierte, standen die Bundestagsabgeordnete Dr. Astrid Freudenstein, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Irmgard Badura, Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, und Brigitte Grebner, Vorsitzende des Vereins „unBehindert miteinander leben e.V.“ ausführlich Rede und Antwort. 

Das BTHG soll die Behindertenhilfe in Deutschland im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention weiterentwickeln. „Das bedeutet in erster Linie mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen“, erklärte Astrid Freudenstein. Wo früher Leistungen an Einrichtungen orientiert erbracht worden seien, stehe nun die Person im Mittelpunkt. Das führe in vielen Bereichen zu großen Verbesserungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für die etwa 700.000 Leistungsberechtigten. Astrid Freudenstein weiter: „Einen großen Sprung machen wir bei der Teilhabe am Arbeitsleben. Wir wollen bewährte Strukturen erhalten und das Spektrum erweitern.“ So solle es künftig flächendeckend ein „Budget für Arbeit“ und alternative Anbieter neben den Werkstätten für behinderte Menschen geben. Außerdem sei die Förderung eines flächendeckenden Netzwerkes aus unabhängigen Beratungsstellen vorgesehen, dass die Betroffenen besser über ihre Rechte und Möglichkeiten aufklären soll. Besonders wichtig sei es der Unionsfraktion, dass der Zugang zur Eingliederungshilfe nicht erschwert werde. Freudenstein machte deshalb klar: „Jeder, der Eingliederungshilfe braucht, soll diese auch in Zukunft erhalten“. Nicht vergessen werden dürfe, dass Leistungsberechtigte künftig deutlich mehr vom eigenen Einkommen und Vermögen behalten dürfen, da die Vermögensfreibeträge erhöht und Ehe- und Lebenspartner aus der Finanzierungspflicht befreit werden.

Irmgard Badura befürchtet, dass viele bisher Leistungsberechtigte womöglich nicht mehr im System zu halten seien, wenn zukünftig ein umfassender Unterstützungsbedarf in 5 von 9 Lebensbereichen bestehen muss. „Wer Hilfe braucht, muss eine Antwort bekommen in unserer Gesellschaft“, machte die Behindertenbeauftragte deutlich. Unterstützungsbedarf in fünf aus neun Lebensbereichen bedeutet, dass die Ausführung von Aktivitäten ohne personelle oder technische Unterstützung in mindestensfünf von neun Lebensbereichen für Betroffene nicht möglich ist. Astrid Freudenstein bat diesbezüglich um Geduld: Bis 2020 gelten weiterhin die aktuellen Regelungen, die neuen Bestimmungen laufen parallel im Probebetrieb. Man müsse in den kommenden drei Jahren schauen, wer tatsächlich unter die „5 aus 9“-Regelung falle und dann bei Bedarf nachjustieren. „Ich nehme dieses Bedenken aber als wichtigen Impuls mit nach Berlin“, machte die Sozialpolitikerin deutlich.

Brigitte Grebner, Mutter eines Sohnes mit Behinderung, warb vor allem um Gehör für die betroffenen Familien, in dem sie anhand der verschiedenen Lebensabschnitte der Kinder die Problematiken skizzierte. Es koste die Eltern immer wieder sehr viel Kraft und Durchsetzungsvermögen, Teilhabe für ihre Kinder ermöglichen. Sie wünscht sich eine bessere Informationsvermittlung zum geplanten Gesetz: „Allein der Umfang dieses Gesetzes ist für uns Nicht-Juristen so groß, dass es uns schon fast verunsichert. Wir wünschen uns für unsere Kinder eine gerechte, unkomplizierte Teilhabe.“ Die Vorsitzende von „unBehindert miteinander leben e.V.“ bat daher darum, auch die Anliegen der betroffenen Familien in das Gesetz miteinfließen zu lassen und Spielräume für individuelle Teilhabe vorzusehen.

Andrea Lindholz machte abschließend deutlich: „Wichtig ist es, in den Kontakt zu treten, sich auszutauschen und Barrieren in den Köpfen zu überwinden. Dies haben wir heute Abend erfolgreich getan.“ Brigitte Greber erklärte, sie erhoffe sich zukünftig ein regelmäßiges Feedback aus Berlin, welche neuen Entscheidungen zur Teilhabe getroffen wurden - dies sicherten die beiden Bundestagsabgeordneten zu.

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