-  Main Echo

Erziehung ohne Strafen

Verena Vygen sprach bei »unBehindert miteinander leben«

Alzenau. Haben Sie Kinder? Wenn ja, welchen Erziehungsstil bevorzugen Sie? Sind Sie eher nachgiebig oder sehr streng, bewundernswert konsequent oder arbeiten Sie mit Belohnung und Bestrafung? Jeder konnte sich in dem Vortrag »Erziehen ohne Strafen?!« von Verena Vygen wieder finden.

Am Donnerstagabend referierte Vygen auf Einladung des Vereins »unBehindert miteinander leben« im Vortragsraum der Stadtbibliothek. Viele Tipps und Ratschläge gab die Alzenauerin im Laufe des Abends, wie der Erziehungsalltag konsequent und trotzdem liebevoll gestaltet werden kann.

Brüllen und Schlagen keine Lösung
»Brüllen und Schlagen ist keine Lösung«, stellte die Referentin ganz klar fest. Wichtig sei vielmehr, dem Kind das Gefühl zu geben, dass man ihm zuhört und es versteht. Klare Ich-Botschaften verdeutlichen die eigene Situation. Und: »Eine ganze Menge Machtkämpfe können Sie vermeiden, indem Sie manches nicht so eng sehen.«
Wie schwierig es ist, aktiv zuzuhören, sprach eine Mutter in der anschließenden Diskussion an. Die nach Thomas Gordon praktizierte Methode zum besseren Gespräch sei nicht einfach, gab Frau Vygen zu. Doch wer einmal »das kleine Wunder des aktiven Zuhörens« erlebt habe, weiß, dass sich die Bemühungen lohnen.
»Geben Sie nicht auf! Sie kriegen ein besseres Verhältnis zu Ihren Kindern«, appellierte der Gast am Ende der 90-minütigen Veranstaltung an die vielen Mütter und einige Väter.

An den eigenen Kindern »geübt«
Eigentlich sei sie Lehrerin, erzählte Verena Vygen zu Beginn, im Hauptberuf aber Mutter von drei Kindern und mittlerweile Großmutter von zwei Enkeln. Mit Erziehungsfragen habe sie sich schon als junge Lehrerin auseinander-gesetzt. Als ihre eigenen Kinder auf die Welt kamen, konnte die engagierte Mutter an diesen »üben«. Den Pädagogen Thomas Gordon hat sie selbst noch erlebt, was dazu geführt hat, »dass ich vieles noch besser verstanden habe«.
Bei Konflikten sollte zunächst einmal geklärt werden, ob es das Problem des Kindes sei oder das der Mutter. Wer seine Sprösslinge, wenn sie immer wieder verschlafen, mit dem Auto zur Schule fährt, verleitet die Kinder, sich auf diesem Problem auszuruhen und es nicht aktiv anzugehen. Um so genannte Kommunikationssperren zu vermeiden, riet Frau Vygen, weder zu kritisieren noch zu moralisieren und auf gar keinen Fall Ratschläge zu erteilen. »Nicht in die Kommunikationsfalle zu tappen, ist eine Heldentat, die mir ab und zu gelang in der Erziehung.« Schmunzelnd formulierte sie ein weit verbreitetes Phänomen: »Meine Kinder wollten furchtbar ungern meinen Rat.«

Die Dinge mit den Augen des Nachwuchses zu sehen, hilft viel. Die schlichte Feststellung »Heute hast du aber
gar keine Lust, in die Schule zu gehen«, beweist, dass die Mutter sich in das Kind hineinsetzt und es nicht
gleich mit Ermahnungen stresst. In der Regel packe der Nachwuchs nach dieser »Solidaritätsbezeugung« ohne
Murren seinen Ranzen und mache sich auf den Weg.

Abmachungen treffen
Strafen seien oft »aus der Hüfte geschossen«, werden aggressiv geäußert und vermitteln dem Kind ein Ohnmachts-gefühl, da es sie als Machtanwendung versteht (»Wenn du jetzt nicht sofort kommst, darfst du heute Abend kein Fernsehen schauen«). Besser sei es, bei Problemen ein ruhiges Gespräch zu suchen, in dem man gemeinsame Abmachungen trifft. Wenn die Konfliktsituation wieder vorkommt, kann man mit ruhiger Stimme sagen: »Du weißt ja, was wir ausgemacht haben.« Das Kind hat so die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie es sich verhält, ohne durch eine schreiende Mutter emotional unter Druck zu geraten. »Erziehung hat viel mit Vorleben zu tun«, gab Verena Vygen zu bedenken. Deshalb sei es wichtig, dass die Mütter auch einmal Zeit für sich selbst haben. »Wenn es Ihnen gut geht, ist es viel leichter, Konflikte zu bewältigen.« Sogar nicht enden wollende Trotzphasen und brüllende Wut-Monster sind mit einem guten Nervenkostüm zu managen.
Doris Huhn

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