-  Main Echo

Mit der "Mut-Murmel" in der Hand

»Mut-Murmel« in der Hand: Ängste abbauen

Vortrag von Frank Zimmermann von der Kinder- und Jugendpsychiatrie Aschaffenburg


Mit dem Thema »Welche Ursachen haben Angst- und Schlafstörungen bei Kindern? Wie können Eltern damit umgehen?« beschäftigte sich der Vortrag von Diplom-Psychologe Frank Zimmermann am Mittwochabend in der
Stadtbibliothek. Der leitende Psychologe der neuen Klinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie am Hasenkopf in Aschaffenburg, die seit November ihren Betrieb aufgenommen hat, war der Einladung des Alzenauer Vereins »unBehindert miteinander leben« gefolgt.

Die neue Klinik ist nach wie vor im Aufbau. Sie verfügt momentan über einen offenen stationären Bereich und eine Tagesklinik für Kinder und Jugendliche von Geburt an bis zum 18. Lebensjahr mit psychischen Störungen aller Art. Eine ambulante Untersuchung für Kassenpatienten ist derzeit nicht möglich. Im Sommer soll eine Schule mit drei Lehrern eingerichtet werden, im kommenden Jahr eine eigene Ambulanz. Bereits jetzt gibt es lange Wartelisten.

Wenn Kinder und Jugendliche von ihren Ängsten erzählen, vermittelt der Psychologe als erstes, dass Angst etwas notwendiges ist: »Ohne Angst würde ich auf der Autobahn spazieren gehen.« Problematisch werde es aber, wenn die Angst zu groß wird und sie das Leben des Betroffenen einschränkt. Die Mediziner unterscheiden - laut Referent - zwischen einer gesunden Angst, einer erhöhten Ängstlichkeit und der klinischen Angst, bei der fachliche Hilfe notwendig ist.
In seinem Vortrag widmete sich Zimmermann zunächst den verschiedenen Angststörungen im Kindes- und Jugend-alter: Sehr häufig sei hier die so genannte »emotionale Störung mit Trennungsangst«. Betroffene Kinder hätten massive Schwierigkeiten, sich tagsüber von den Bezugspersonen zu trennen egal, ob die Mutter zum Einkaufen geht oder nur für zwei Minuten in den Keller. Das gleiche Problem betreffe das Zubettgehen, auch hier müsse ein Stück losgelassen werden, was Kindern mit Angststörungen schwer fällt. Den oft unrealistischen Sorgen sollte man, so der Referent, nicht mit dem Satz »Du brauchst keine Angst haben« begegnen, denn hierdurch fühlen sich die Mädchen und Jungen unverstanden.
Angst führe auch oft dazu, dass Dinge vermieden oder umgangen werden, um diese Angst nicht erleben zu müssen, hieß es weiter. Gestresste Eltern erlaubten es ihren Kindern mit Ein- oder Durchschlafstörungen oft weit über das Kindergartenalter hinaus im Elternbett zu schlafen. Auf diese Weise verliere das Kind aber nicht seine Angst - im Gegenteil: Es lerne auf diese Weise, dass Angst auch Vorteile hat: »Ich darf bei Mama und Papa im Bett schlafen«.

Kind muss Angst verlieren
»Angst ist ein Klebstoff«, formulierte es Frank Zimmermann und riet den Eltern, einerseits das Kind zu trösten, aber andererseits zu vermitteln, dass es die Ängste selbst bewältigen könne, es zu beruhigen, aber keine verstärkte Aufmerksamkeit damit zu verbinden.
Angst könne ein Teufelskreis werden, der damit endet, dass die Kinder irgendwann »Angst vor der Angst« haben. In der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie wird bei der Behandlung von Angststörungen zunächst das Akzeptieren der Angst angestrebt. Nach dem Motto »Wer schwimmen lernen will, muss sich ins Wasser begeben« werden die Patienten schrittweise ermutigt.
Wenn ein Kind zum Beispiel Angst vor Hunden habe, »dann gehen wir mit ihm zu den Hunden«. Eine echte Bewältigung der Angst gelinge nur, indem man die Angst bewusst aushält ohne Ablenkung. Wer nicht weg laufe vor seinen Ängsten, merke rasch, dass sie kleiner werden. Das Einüben von Atem-
techniken helfe ebenfalls im Umgang mit Angst, so der Referent weiter.
Sehr bewährt hat sich nach den Erfahrungen des Psychologen auch eine »Mut-Murmel«, die den Kindern als äußeres Zeichen in die Hand gegeben wird. Kleine Sprüche wie »Mit Mut wird alles gut« seien ein weiteres festes Ritual, mit dem Kinder ihren Ängsten begegnen können.
Abschließend gab Zimmermann noch einige gute Tipps bei Ein-und Durchschlafstörungen von älteren Kindern: Das Bett sollte wirklich nur zum schlafen aufgesucht werden, nicht zum fernsehen, ausruhen oder Hausauf-
gaben machen. Wer nicht durchschlafen kann, sollte ruhig aufstehen für die Erwachsenen empfahl der Referent schmunzelnd, sich ruhig an die Steuererklärung zu setzen, »das ermüdet ungemein«. Feste Aufstehzeiten auch am Wochenende und kein Schlaf tagsüber tragen zusätzlich zum Abbau von Schlafstörungen bei.

An das Referat schloss sich eine längere Fragerunde aus dem Publikum an, die bewies, dass das Thema in vielen Familien präsent ist. Doris Huhn

Zurück